iPhone 7: Was kann die Kamera?
Als Apple vor ein paar Tagen das iPhone 7 und das iPhone 7 Plus vorgestellt hat, wurde die Kamera (wie bei jedem Release) besonders in den Mittelpunkt gestellt. Sie soll noch besser sein als die des Vorgängers – klar, alles andere wäre auch peinlich. Sie soll aber inzwischen so gut sein, dass sie mit einer besseren Kompaktkamera mithalten kann, sagen zumindest die ersten Tester. Und selbst das Wort „DSLR“ ist bei der Präsentation ein paar mal gefallen – ehrlicherweise zwar ohne von „DSLR-Ersatz“ zu sprechen, aber die Botschaft ist klar: Das iPhone 7 soll eine großartige Foto-Qualität liefern.
Überraschenderweise scheint Apple den Andrang auf das Gerät völlig unterschätzt zu haben. Das iPhone 7 Plus soll sogar weltweit ausverkauft sein. Ich habe Glück gehabt und konnte mein iPhone 7 (32GB, matt schwarz) pünktlich abholen. Seitdem habe ich vor allem die Kamera in Ruhe testen können. Eine Anmerkung vorab: Bei dem Test geht es natürlich nicht streng wissenschaftlich zu, vielmehr stehen echte Bilder unter echten Bedingungen im Vordergrund.
Der erste Eindruck: Großartiges Gerät
Erstmal vorab: Das iPhone 7 ist ein tolles Gerät. Die Verarbeitung ist herausragend, das Gerät ist wahnsinnig schnell, der Akku hält lange (wirklich deutlich länger als bei meinem alten iPhone 5) und auch das Display sieht toll aus. Selbst der neue Home-Button fühlt sich gut an – auch wenn es stimmt, dass man eher denkt, der gesamte untere Bereich des Telefons bewegt sich und nicht nur der Knopf. Ich bereue den Kauf kein Bisschen und freue mich auf meinen neuen Begleiter für die kommenden paar Jahre.
Einziges Manko (was nichts mit der Kamera zu tun hat): Durch den neuen Home-Button werden die Hersteller von Sporthüllen umdenken müssen. Der reagiert nämlich kein bisschen mehr, wenn er sich unter einer Folienschicht befindet. Außerdem fehlt der Klinkeneingang für Kopfhörer, aber das war ja bekannt.
Nun zur Kamera: Als Point and Shoot-Alternative kann das iPhone überzeugen. Bei Tageslicht sehen die Bilder sehr gut aus, die Kamera reagiert schnell und die Automatiken funktionieren so wie sie sollen. Das iPhone wählt bei gutem Licht eine ISO von etwa 20 bis 64. Dazu bestimmt das Gerät eine passende Belichtungszeit. Bei wenig Licht geht die Kamera bis auf 1/4 Sekunden herunter, was bei einer umgerechneten Brennweite von etwa 28mm (KB) mehr als grenzwertig ist. Ab und an sind verwackelte Aufnahmen so kaum zu vermeiden, auch wenn der Bildstabilisator mithilft. Auch für schnelle Bewegungen ist das zu wenig. Für diese wären mindestens 1/100 Sekunden (eher weniger) nötig, was für Sport-Aufnahmen also gutes Licht voraussetzt. Die Blende von f/1.8 ist fest. Um Unschärfe-Effekte zu erreichen, muss man allerdings sehr nah an das Motiv heran. Auf Grund der Sensorgröße von 1/3″ entspricht die Blende in Bezug auf Freistellung eher f/12 oder f/13 (KB).
Schlechte Lichtverhältnisse: Keine Wunder erwarten
Bei wenig Licht muss die Kamera dann schnell mit der ISO hochgehen, um eine anständige Belichtung zu erreichen. Bereits ab einer dreistelligen ISO sieht man auch erste Nachteile. Der Bildprozessor ist zwar sehr gut darin, das Rauschen rauszurechnen, dabei verlieren die Bilder aber auch Details. Je nach Lichtsituation und je nach Betrachtungsgröße kann das aber noch gut aussehen.
Wer möchte kann natürlich auf den integrierten Blitz ausweichen. Der ist heller als früher, führt aber wie jeder integrierte Blitz zu unschöner Frontal-Beleuchtung mit harten Schatten. Ich werde wann immer es geht darauf verzichten. Unten: ISO 125, 1/4 Sek. ohne Blitz vs. ISO 20, 1/120 Sek. mit Blitz.
RAW oder JPEG?
Besonders spannend: Mit dem iPhone 7 (bei iOS 10 mit allen 12MP Apple-Kameras) können endlich Aufnahmen in RAW erstellt werden. Damit ist es möglich, den Bildprozessor des iPhone abzuschalten und die kompletten Sensordaten auszulesen. In der Theorie sollte damit deutlich mehr Bearbeitungsspielraum zur Verfügung stehen. Wer den Aufwand der Bildbearbeitung nicht scheut, müsste im RAW-Modus also bessere Bilder machen können – zumindest technisch. Ein Nachteil: Die Bilder der iPhone-Kamera sind als RAW etwa 15 MB groß, während die JPEGs eher im Bereich um 2-4 MB liegen.
Damit ein iPhone RAW aufnehmen kann, benötigt es eine spezielle App. Ich habe jedenfalls keinen Modus finden können, bei dem ich RAW mit der regulären Kamera-App schießen konnte. Allerdings gibt es bereits jetzt einige Apps, die das können. So hat Adobe rechtzeitig zum Start des iPhone 7 Lightroom Mobile aktualisiert. Nun können besagte RAW-Aufnahmen gemacht werden, wobei sogar während der Aufnahme manuelle Einstellungen (bspw. Belichtungskorrektur) vorgenommen werden können. Die Aufnahmen werden dann im DNG-Format gespeichert, also Adobes offenem RAW-Standard. Dass Apple hier auf einen Standard setzt ist ungewöhnlich und positiv.
Leider kann Lightroom Mobile nicht DNG und JPEG gleichzeitig aufnehmen, so dass sich damit geschossene Bilder nicht hundertprozentig vergleichen lassen. Für den Test habe ich zwei Aufnahmen gemacht – eine in Lightroom und eine in der Apple Kamera-App. Das Lightroom-DNG habe ich anschließend in Lightroom auf dem Desktop bearbeitet und beide Bilder in Photoshop exportiert. Dort habe ich die Bilder per „Ebenen automatisch Ausrichten“ übereinander gelegt, um Unterschiede deutlich machen zu können. Dabei ist hier links das JPG und rechts das RAW.
Beim ersten Bild fällt auf, dass doch etwas Spielraum im RAW vorhanden ist. Die Schatten können anständig angehoben und die Lichter etwas reduziert werden – insgesamt aber deutlich weniger als von großen Kameras gewohnt. Der Weißabgleich kann ebenfalls frei angepasst werden. In der 100%-Ansicht fällt auf, dass die Rauschkorrektur des iPhone-Bildprozessors einen sehr guten Job macht. Rauschen wird sichtbar weniger, während der Schärfeeindruck nur etwas leidet. Ebenfalls fällt auf, dass durch die RAW-Aufnahme einige Highlights gerettet werden können (siehe Kürbis auf der rechten Seite).
Was allerdings beachtet werden muss, ist dass das iPhone im RAW-Modus meist längere Belichtungszeiten wählt und dafür teils deutlich mit der ISO hochgeht. So hat die Kamera für das nachfolgende Bild in der regulären Kamera-App ISO 125 bei 1/4 Sek. (!) gewählt, während Lightroom Mobile ISO 500 und 1/17 Sek. gewählt hat. Genau genommen habe ich in RAW kein Bild schießen können, dass länger als 1/17 Sek. belichtet wurde. Meine Vermutung ist, dass im RAW-Modus der Bildstabilisator nicht richtig angesprochen wird – was an Lightroom liegen kann oder am iPhone. Jedenfalls sind die Unterschiede dann bei hohen ISO-Bereichen drastisch. Wenn man also bei schlechtem Licht schießt, sollte man zumindest zur Sicherheit ein Bild mit der regulären Kamera-App mitschießen. Was bei diesen ISO-Bereichen im RAW ebenfalls auffällt, ist das starke Farbrauschen, das bei ausgewachsenen Kameras kaum noch auftritt.
Nachtrag vom 21.09.2016: Auch Greg Benz hat sich inzwischen die RAWs aus dem iPhone 7 genauer angesehen. Er nutzt dazu die App Pro Camera, die er in seinem Video auch genauer vorstellt. Die Ergebnisse decken sich ziemlich genau mit meinen Erfahrungen.
Unfair: iPhone 7 gegen Sony A7II
Ok, jetzt wird’s gemein: Wenn in der Vorstellung des iPhone 7 schon ab und an von DSLRs gesprochen wird und dazu wirklich beeindruckende Aufnahmen gezeigt werden, wird es sicherlich einige Leute gibt, die denken, ein iPhone kann mit einer großen Kamera mithalten. Warum dann nicht einmal diesen Vergleich wagen? Ok, es ist total unfair eine Vollformat-Kamera mit einem halbwegs aktuellen Sensor gegen ein Smartphone antreten zu lassen. Immerhin hat der Sensor des iPhone etwa lediglich 1,5% der Fläche des Sensors der Sony A7II. Und auch wenn das iPhone nicht günstig ist, spielen beide Geräte auch preislich in einer völlig anderen Liga. Aber vielleicht geht beim Telefon ja doch was?
Ein paar Testaufnahmen später zeigt sich: Keine Chance für das iPhone. Allerdings liegen bei gutem Licht zwischen beiden Kameras keine Welten. Dabei habe ich aber wirklich unfair zu Gunsten des iPhone verglichen, wie die Einstellungen zeigen: iPhone 7 bei ISO 40, 1/20 Sek. in JPEG vs. Sony bei ISO 4.000 (!), f/11, 1/60 Sek aus RAW.
Wie man sieht, zeigt die Sony deutlich mehr Details in den Strukturen und auch deutlich mehr Dynamik. Um das ganze noch einmal größer zu zeigen nachfolgend zwei Bilder. Das iPhone erneut bei ISO 40, die Sony bei ISO 500, f/4.
Was natürlich ebenso sofort auffällt ist die kleine Schärfe-Ebene der Sony bei f/4. Hier bieten sich mit einem ausgewachsenen Sensor eben deutlich größere Spielräume.
Deutlich fairer: iPhone 7 gegen iPhone 5
Abschließend dann noch ein Test innerhalb einer Geräteklasse. Wie schlägt sich ein vier Jahre altes iPhone 5 gegen das iPhone 7? Wenn hier keine deutlichen Unterschiede sichtbar wären, müsste wohl etwas defekt sein. Auch hier habe ich zwei Testaufnahmen erstellt. Das erste Bild ist eine Indoor-Aufnahme bei Gegenlicht. Sofort fällt der deutliche Qualitätsunterschied zwischen dem iPhone 5 (ISO 50, f/2.4, 1/30 Sek.) und dem iPhone 7 auf (ISO 20, f/1.8, 1/35 Sek.) auf. Rechts ist das iPhone 7, links das iPhone 5.
Der Fairness halber sei gesagt, dass das iPhone 5 ab und an Bilder produziert, bei denen die Linse dreckig wirkt – liegt wohl an vier Jahren in der Hosentasche. Dadurch könnte das iPhone 5 etwas matschiger wirken. Die Detailansicht bei 100% zeigt aber auch noch einmal, wie deutlich besser das iPhone 7 auflöst.
Beim zweiten Bild sieht das ganze etwas anders aus. Hier gefällt mir insgesamt die Aufnahme des iPhone 5 etwas besser. Das mag am Weißabgleich beim 7er liegen, der deutlich wärmer ist, aber auch die Strukturen der hellen Blume kommen beim 5er besser zur Geltung. Das iPhone 7 hat hier leicht überbelichtet, was mit einer RAW-Aufnahme zu korrigieren gewesen wäre. Das Rauschverhalten ist beim iPhone 7 (ISO 32, f/1.8, 1/100 Sek.) allerdings deutlich besser als beim iPhone 5 (ISO 50, f/2.4, 1/60 Sek.) und auch die Unschärfe wirkt durch die größere Blendenöffnung harmonischer.
Fazit
Das iPhone 7 ist ein tolles Smartphone mit einer guten Kamera. Bei ausreichend Licht lassen sich damit sehr gute Aufnahmen machen, wobei die Gestaltungsmöglichkeiten im Vergleich zu einer Kamera mit großem Sensor (Stichwort: Freistellung) natürlich limitiert sind. Das iPhone gewinnt außerdem durch die RAW-Aufnahmen etwas hinzu, wobei diese scheinbar (derzeit?) auf den Bildstabilisator verzichten müssen. Bei wenig Licht muss das Gerät schnell mit der ISO hoch, was nur teilweise noch zu brauchbaren Bildern führt.
Nicht getestet habe ich Video. Die technischen Daten wissen hier aber durchaus zu überzeugen. Ebenso bin ich überzeugt, dass der Panorama-Modus wieder sehr gut funktioniert, wahrscheinlich wird auch der HDR-Modus nicht ganz unsinnig sein. Erwähnt werden sollte auch noch die schnelle Performance beim Fotografieren – bei Serienaufnahmen muss man eher aufpassen, den Finger schnell wieder von Auslöser zu nehmen.
Zusammenfassend lässt sich folgendes festhalten:
Pro:
- Gute Aufnahmen bei viel Licht
- RAW-Aufnahmen bringen etwa mehr Spielraum für die Bearbeitung
- Deutliche Verbesserung gegenüber alten iPhones (5 oder älter)
- Tolle Performance, sehr gute Automatiken
- Low Light unter bestimmten Bedingungen brauchbar durch gute Rauschreduzierung (JPG)
Contra:
- RAW belichtet deutlich kürzer als JPG
- Tlw. starkes Farbrauschen in „hohen“ ISO-Bereichen
- Kaum Freistellung durch kleinen Sensor
- Bei wenig Licht sehr lange Belichtungszeiten im JPG, reicht ggf. nicht für Bewegungen
11 KOMMENTARE
[…] mehr auseinandersetzen möchte, habe ich heute einen Linktipp für euch. Mein Leser Martin hat sich auf seinem Blog die Kamera des iPhone 7 mal etwas genauer angeschaut und mit einer ausgewachsenen Kamera sowie […]
Da Apple selbst den Vergleich mit einer DSLR gestartet hat, ist es nicht unfair.
So viel Ehrlichkeit muss sein.
Wenn Tesla mal wieder seine Karren in Relation zu „Premiumfagrzeugen“ setzt, dann ist es auch nicht unfair auf die Verarbeitungsmaengel gegenüber einem günstigeren A6 hinzuweisen.
Naja, ein bisschen unfair finde ich es trotzdem. Apple sprach ja davon, dass sie eine DSLR nicht ablösen wollen. Wenn sie das behaupten würden, würden sie sich auch lächerlich machen. Bei den winzigen Sensorgrößen in Smartphones wird es wohl noch Jahre brauchen, bis man die Qualität von heutigen DSLRs erreicht. Dennoch ist das iPhone 7 eine gute kleine Kamera – die man vor allem immer dabei hat.
Hervorragend, bin begeistert über die Qualität dieses Beitrags, bzgl. Test Kamerateil des iPhone 7.
Vielen Dank für das Lob. Freut mich!
Super, vielen Dank für diesen Test!
Danke ebenso! Schön, dass dir der Test gefällt.
Sofern man sich mal die Video Qualität anschaut in Verbindung mit sog gimbals a la feiyu G4 Pro oder dem neuen Osmo mobile von DJI wird man leider feststellen dass es bei schnelleren schritten/ Bewegungen zu einem Fokus Verlust kommt. Dies trat bis dato bei dem 6s nicht auf. Gruß Tobias
Ein kleiner Nachtrag: Ich habe inzwischen die APP „Manual – RAW Custom exposure camera“ im App Store gefunden, mit der man RAW und JPEG gleichzeitig aufnehmen kann. Auch die Belichtungszeit lässt sich manuell einstellen, also kann man im RAW auch auf 1/5 runtergehen. Kostet 2 Euro.
Es wäre dramatisch wenn die große, wesentlich teurere Sony A7II nicht bessere Fotos wie das iPhone 7 abliefern würde. Darüber hinaus hat man mit der A7II natürlich auch noch mehr manuellen Gestaltungsraum.
Aber ich finde, das iPhone 7 macht herrvorragende Bilder.
Die jpeg Aufnahme im Innenraum des Supermarkts gefällt mir besser wie die RAW. Die jpeg Aufnahme vermittelt mehr räumliche Tiefe. Bei den Details hat dann wiederum RAW die Nase vorn.
Erstaunlich ist die Qualitätsverbesserung vom iPhone 7 zum iPhone 5. WOW, dazwischen liegen Welten.
Auch die Blume finde ich mit dem iPhone 7 wesentlich besser getroffen. Ja etwas überbelichtet, dafür aber wesentlich besser Schärfe und sattere Farben.
Danke für den Vergleich.
Danke, ich sehe das ziemlich genauso wie du. Lediglich bei der Blume gefällt mir das iPhone 5 besser. Die automatische Belichtung und der Auto-Weißabgleich machen da einfach einen besseren Job.