Smartphone-Fotografie: Was geht wirklich?
Dass Smartphone-Kameras immer besser werden, weiß man nicht erst seitdem Apple das iPhone 7 Plus auf den Markt gebracht hat. Der damit eingeführte Portrait-Modus erstellt mehr oder weniger realistische Hintergrundunschärfe auf Basis von Tiefeninformationen. Damit sollen erstmals Smartphone-Fotos in einer Qualität möglich sein, die vorher ausgewachsenen Kameras mit Wechseloptiken vorbehalten waren. Das ganze passiert natürlich rein auf Software-Basis und führt zu halbwegs brauchbaren Ergebnissen – nichts für Pixelpeeper aber für den durchschnittlichen Nutzer ganz brauchbar.
Auch in den Jahren davor sind Smartphone-Kameras immer besser geworden: die Sensoren wurden größer (wenngleich sie immer noch klein sind), die Optiken wurden besser und lassen mehr Licht durch, es gibt immer mehr Hardware-Features (bspw. optische Bildstabilisatoren). Aber vor allem die Software wurde immer besser. Und genau das ist das Stichwort: Wie gut kann die Software von Smartphone-Kameras eigentlich noch werden? Kann sie irgendwann so gut werden, dass große Kameras völlig unnötig werden?
Software killed the Camera-Star?
DPReview behauptet, unter Bezugnahme auf einen von Googles ehemaligen Entwicklern, dass Smartphones irgendwann in drei bis vier Jahren den Markt für Einstiegskameras mit Wechselobjektiven übernehmen werden. Ich halte das für absolut gerechtfertigt – das hat man ja auch schon bei Kompaktkameras gesehen.
Der Grund dafür ist die Software. Kameras sind dumm, Smartphones nicht – so verkürzt kann man es auf den Punkt bringen. Während sich Kameras meist voll auf ihre Hardware-Fähigkeiten beschränken, imitieren Smartphones dieses einfach in Software. Und so lange das Ergebnis stimmt, wird es den meisten Nutzern völlig egal sein.
Ich glaube, wir stehen heute erst ganz am Anfang dieser Entwicklung. Eine iPhone-Kamera analysiert bspw. schon jetzt die Bildbestandteile während ein Foto gemacht wird und umgeht so die Grenzen der Hardware. Ein Beispiel: Fotografiere ich in einem halbwegs dunklen Raum Menschen, die sich bewegen, dann wird der Raum mit einer längeren Belichtungszeit und niedriger ISO aufgenommen, während die Menschen mit kurzer Belichtungszeit und hoher ISO aufgenommen werden. Anschließend setzt die Kamera-App beide Bildteile zusammen und optimiert so die Qualität der Aufnahme. Das ganze fällt eigentlich nur bei größerer Betrachtung wirklich auf und passiert komplett in Echtzeit.
Diese Entwicklung wird weitergehen. Durch künstliche Intelligenz wird es demnächst möglich sein, dass Smartphone-Kameras eine Szene komplett analysieren und entsprechend belichten. Wenn die Kamera weiß, dass ein Mensch vor einem Sonnenuntergang fotografiert werden soll, dann kann sie auch entscheiden, wie die Belichtung dafür aussehen soll. Heute geht das mit guten Resultaten nur durch aufwändige Nachbearbeitung. In ein paar Jahren wird es für den Nutzer aber keinen Unterschied mehr machen, ob das tolle Foto aus einem teueren Profi-Setup kommt oder per AI auf einem Smartphone erstellt wurde. Spätestens dann wird es ganz eng für die Kamera-Hersteller.
Was können Smartphones schon heute?
Bereits jetzt sind die Ergebnisse, die Smartphone-Kameras erzielen können, aber absolut sehenswert. Seit iOS 10 kann mit iPhones bspw. in RAW aufgenommen werden, Lightroom Mobile ergänzt das ganze in der aktuellen Version noch durch RAW HDR-Aufnahmen. Dabei erstellt Lightroom drei verschiedene Belichtungen, die anschließend automatisch zusammengesetzt werden. Das führt zu deutlich mehr Spielraum in der Bearbeitung – die Grenzen des kleinen Sensors werden durch intelligente Software weiter verschoben.
Doch auch ohne diese Software-Tricks, sind gute Fotos mit Smartphone-Kameras möglich – vorausgesetzt gutes Licht, Motiv und etwas Handwerk kommen zusammen – aber das ist gilt ja für alle Fotos.
Wo liegen die Grenzen von Smartphones?
Grenzwertig wird es für Smartphones vor allem bei der Bedienung. Auch in Zukunft werden Smartphones gute Allrounder sein, keine Spezialisten. Das bedeutet, dass eine Kamera mit Wechseloptiken zahlreiche Knöpfe, Regler und Schalter bietet, die genau darauf ausgelegt sind, dass man damit schnellstmöglich die Einstellungen der Kamera ändern kann. Das wird ein Smartphone natürlich nie haben, denn hier steht der vielfältige Nutzen im Vordergrund.
Die Qualität und das Angebot der Objektive sprechen darüber hinaus auch gegen Smartphones als Kamera-Killer. Marques Brownlee hat zuletzt in einem Video gezeigt, welchen Aufwand man betreiben muss, um die Qualität von Smartphone-Aufnahmen zu steigern.
Aber ungeachtet der Tatsache, dass man in diesem Fall auch direkt wieder zum großen Kamera-Setup greifen kann, liegen hier die systemischen Grenzen: Auch wenn Wechselobjekte für Smartphones die Qualität von Handykameras deutlich steigern können, ausgewachsene Systemkameras werden sie wohl nie ersetzen können. Die Auswahl ist überdies limitiert.
Daher bin ich davon überzeugt, dass Smartphones zwar einen Großteil des Kameramarkts ersetzen können – und dies in Zukunft auch werden – aber Enthusiasten und professionelle Fotografen werden wohl immer bei dezidierten Kamera-Systemen bleiben.
Wenn Smartphones jedoch die Einstiegssysteme der Zukunft sein werden, folgen daraus zwei Dinge: Erstens werden hoffentlich mehr Menschen zu ausgewachsenen Kamerasystemen greifen, da sie irgendwann an die Grenzen der Smartphones stoßen und sich dennoch weiterentwickeln wollen. Und zweitens vermute ich, werden die Preise für Kameras und Objektive anziehen, da sich der Markt in Richtung professionelle Systeme verschieben wird.
Punkt 1 ist toll und führt hoffentlich zu besserer Fotografie, Punkt 2 definitiv nicht.